Schüler treffen Holocaust-Überlebende

Heinrich-Heine-Gymnasiasten hören einen Vortrag von Inge Auerbacher. Sie überlebte als Kind die Schoah. Montag berichtet die New Yorkerin im Landtag über die Grauen im KZ

Die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher spricht im UN-Hauptquartier in New York am Holocaust-Gedenktag vor den Vereinten Nationen. (dpa Picture-Alliance)

Inge Auerbacher war keine acht Jahre alt, als sie die Nazis ins KZ Theresienstadt verschleppten. Zwanzig ihrer nahen Verwandten starben, doch das Kind überlebte die Schoah. Die 84-jährige Jüdin lebt heute in New York. Aus Anlass des Internationalen Gedenktags an die Opfer des Holocausts hielt Inge Auerbacher zu Beginn dieses Jahres die Gedenkrede vor den Vereinten Nationen. Ihre bewegten Zuhörer reagierten mit stehendem Applaus. Am Montag wird sie im Landtag in Düsseldorf mit jungen Leuten über den Holocaust reden. Auch Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums sind dann dabei.

Ganz kurzfristig hatte die Einladung aus Düsseldorf das Bottroper Gymnasium erreicht. Für die Schülerinnen und Schüler des aktuellen Leistungskurses Geschichte ist das Gespräch mit der Holocaust-Überlebenden quasi Pflicht. Das hat Schulleiter Tobias Mattheis sofort sichergestellt. „Der Leistungskurs hat selbstverständlich Priorität“, sagt auch Geschichtslehrerin Julia Keller. Das Interesse auch der anderen Schüler an dem Treffen mit der Zeitzeugin sei sehr groß. „Wir mussten die Plätze schließlich verlosen“, sagte sie. 30 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 10 bis 12 des Heinrich-Heine-Gymnasiums können der New Yorkerin nun Fragen stellen.

Das Gespräch mit der bekannten Zeitzeugin wird Sabine Leutheusser-Schnarrenberger führen. Die Antisemitismusbeauftragte des Landes nimmt die Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 16 und 18 Jahren vorher gegen 16 Uhr im Landtagsforum in Empfang. „Das ist einfach eine Riesenchance, an dieser Veranstaltung teilzunehmen“, freut sich Tobias Mattheis für seine Schüler. Sehr viele Gelegenheiten, Zeitzeugen zu den Verbrechen der Nationalsozialisten zu befragen, werde es fast 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr geben, erklärt er. „Inge Auerbacher reist aus New York an“, betont Geschichtslehrerin Julia Keller. Das zeige, wie wichtig auch ihr die Begegnung mit den jungen Menschen im Landtag sei.

Mit den Eltern in die USA emigriert

Inge Auerbacher war im Mai 1945 aus dem Konzentrationslager befreit worden. Wegen der grausamen Lebensbedingungen in Theresienstadt litt das Mädchen an Tuberkulose. Sie versäumte acht Schuljahre. Nachdem die junge Deutsche 1946 mit ihrer Eltern aus Göppingen in die USA ausgewandert war, erreichte sich an der Queens University einen Bachelor of Science und arbeitete nicht ganz vier Jahrzehnte lang als Chemikerin. In ihrer Rede in New York schilderte die 84-jährige im Januar in bewegenden Worten ihren Leidensweg. Unter anderem sagte sie: „Das Gegengift gegen den Hass ist gute Bildung“.

Das sehen auch am Heinrich-Heine-Gymnasium Lehrer wie Schüler als Aufgabe an. „Es ist selbstverständlich so, dass alle Schulen eine Verantwortung dafür haben, dass das, was im Nationalsozialismus passiert ist, niemals wieder gemacht wird“, sagte Tobias Mattheis.

Antisemitismus, Rassismus, Faschismus seien daher nicht nur Themen für den Geschichtsunterricht. Mit den Hakenkreuz-Schmierereien in der Stadt zum Beispiel seien die Schüler schließlich auch in ihrem Alltag konfrontiert worden. Aktuellen rechtsextremen Tendenzen in sozialen Netzwerken oder auf der Straße trete die Schulgemeinschaft daher entschieden entgegen.

Dafür sorgen die Schüler auch von sich aus. So habe sich am Heinrich-Heine-Gymnasium eine Interessensgruppe aus Schülern und Lehrern gebildet, die Projekte gegen Diskriminierung oder Rassismus auf den Weg bringen will. „Die Initiative ging von den Schülern aus“, betont Julia Keller. So wolle auch das Heinrich-Heine-Gymnasium zu einer Schule ohne Rassismus werden; zu einer Schule also, die sich gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wendet. 70 Prozent aller Schüler, Lehrer und Mitarbeiter der Schule müssten nun mit ihren Unterschriften erklären, dass sie sich aktiv dafür einsetzen werden. Dann dürfe sich auch das Heinrich-Heine-Gymnasium „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nennen. Doch Julia Keller betont: „Das ist mehr als ein Titel, das ist eine ständige Aufgabe“.

Quelle: Norbert Jänecke / WAZ  31.8.2019

 

New Yorkerin erhielt den Verdienstorden

Der NRW-Landtag hat rund 100 Jugendliche für Montag, 2. September, um 16 Uhr zu dem Zeitzeugen-Gespräch zum Holocaust eingeladen. Neben den 30 Schülern des Heinrich-Heine-Gymnasiums dürfen daran auch Jugendliche aus zwei Düsseldorfer und einem Ratinger Gymnasium teilnehmen. Hinzu kommen Teilnehmer des diesjährigen Jugend-Landtages.

Inge Auerbacher ist Trägerin des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist seit 1953 Staatsbürgerin der USA. Über ihre Kindheitserinnerungen schrieb sie das Buch „I am a Star: Child of the Holocaust“. Es wurde unter dem Titel „Ich bin ein Stern“ auch ins Deutsche übersetzt.

Auch über sie erschien ein Buch. Gardy-Käthe Ruder veröffentlichte im Deutschen Wissenschaftsverlag den Titel „Holocaust im Gedächtnis einer Puppe. Unterwegs auf Lebensspuren von und mit Inge Auerbacher“.