Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage
Am HHG gibt es keinen Platz für Ausgrenzung und Diskriminierung
Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und viele weitere Formen von Hass, Menschenverachtung und Diskriminierungen sind traurige Realität in unserer Gesellschaft. Immer wieder berichten die Medien über erschreckende Anschläge und Übergriffe. Beschmierte Wände mit rechten Symbolen und Parolen sind auch in Bottrop keine Seltenheit. Die Amokfahrt am Silvesterabend 2018/19 in der Bottroper und Essener Innenstadt, das Attentat von Hanau im Februar 2020, der Mord am Lehrer Samuel Paty am Oktober 2020 in Frankreich und die anhaltenden Unruhen in den USA sind nur einige von vielen Nachrichten, welche uns in den vergangenen Jahren und Monaten aufschrecken ließen.
In so einer Welt wollen wir nicht leben! Es ist Zeit für Toleranz, Nächstenliebe und ein friedliches Miteinander einzustehen. So oder so ähnlich müssen auch unsere Schüler*innen gedacht haben, als im letzten Schuljahr innerhalb unserer SV (Schülervertretung) der Wunsch immer lauter wurde, sich aktiv Rassismus und alle anderen Arten von Diskriminierungen entgegen zu stellen.
Schnell fanden sich Schüler*innen unterschiedlicher Jahrgangsstufen und Lehrer*innen zusammen, die in einer Initiativgruppe mitarbeiten wollten. So hat sich unsere Schulgemeinschaft im vergangenen Schuljahr auf den Weg gemacht, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu werden.
Das HHG soll den Titel an der Schulwand tragen damit jeder sehen kann, wofür das HHG und unsere Schulgemeinschaft stehen und damit auch die Schulgemeinschaft selbst jeden Tag aufs Neue (beim Betreten und Verlassen des Schulgebäudes) daran erinnert wird, welche Aufgabe und Pflicht angenommen wurde. Denn es ist der Initiativgruppe des Heinrich-Heine-Gymnasiums wichtig, dass der Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nicht als eine Art Auszeichnung, sondern als Aufgabe unserer Schulgemeinschaft für die Gegenwart und Zukunft verstanden wird. Es ist kein Preis für eine bisherige Leistung, sondern verlangt jeden Tag die Aufmerksamkeit und das Engagement der gesamten Schulgemeinschaft.
Das Schulmotto am HHG ist das „WIR“ und „Wir am Heine“ haben es uns zum Ziel gesetzt nicht wegzusehen, sondern sensibel zu sein und uns für ein friedliches Zusammenleben couragiert einzusetzen. Wir wollen uns dafür engagieren, nachhaltige und langfristige Projekte, Aktivitäten und Initiativen an unserer Schule zu etablieren, um gegen Diskriminierungen jeglicher Art innerhalb unserer Schulgemeinschaft vorzugehen und uns weiterhin zu sensibilisieren.
So machten wir uns im Herbst 2019 auf den Weg und informierten die gesamte Schulgemeinschaft über unser Vorhaben. Jede einzelne Klasse und alle Oberstufenjahrgänge wurden von uns besucht oder durch kurze Infoveranstaltungen oder Briefe informiert. Auf diese Weise sammelten wir, wie von dem Projekt vorgesehen, Unterschriften von allen Schüler*innen, Lehrer*innen und Mitarbeiter*innen des HHG die unseren Wunsch, eine „Schule mit Courage“ zu werden, teilen. Fast 89% der gesamten Schulgemeinschaft haben unterschrieben und somit fest zugesagt, die Aufgabe als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mitzutragen und mitzugestalten.
Im Anschluss daran machten sich die Initiativgruppe auf die Suche nach einem geeigneten Schulpaten, der ebenfalls von dem Projekt vorgesehen ist. Eine Suche die sich als recht langwierig erwies. Lange Zeit war sich die Gruppe unsicher, wer überhaupt für eine Patenschaft in Frage kommen könnte und im Interesser aller die Schule nach außen vertritt. Als das HHG aber dann am 09.12.2019 den Zeitzeugen Sally Perel für eine Lesung und anschließende Fragerunde in der eigenen Aula begrüßen durfte und er von allen Anwesenden, zu tiefst berührt von seiner emotionalen Geschichte und seinem enormen Mut, sich seiner Vergangenheit zu stellen, mit Standing Ovations empfangen und auch wieder verabschiedet wurde und sich eine riesige Traube mit Autogrammjägern um ihn gebildet hatte, hatten die Schüler*innen ihren Paten gefunden und alle Zweifel waren verflogen. Sie fassten ihren Mut zusammen und sprachen Herrn Perel nach der Veranstaltung bezüglich der Patenschaft an. Herr Perel zeigte sich sichtlich gerührt und antwortete, dass es ihm eine große Ehre sei der Schulpate des Heinrich-Heine-Gymnasiums zu werden (siehe Foto).
Insbesondere durch sein damaliges „Doppelleben“ als Sally und Jupp ist seine Geschichte besonders interessant, da Sally dadurch sowohl aus Täter- und auch aus Opferperspektive berichten kann und den Schüler*innen auf eindrucksvolle Art und Weise vermitteln kann, wie extrem gefährlich die nationalsozialistische Ideologie war und auch noch heute viele junge Menschen rechter Ideologie und menschenverachtenden Parolen zum Opfer fallen.
Die anwesenden Schüler*innen waren sich einig darüber, dass sie keinen besseren Paten hätten finden können, da sie zudem einen Paten mit viel Erfahrung für sich gewinnen konnten. Denn Sally Perel engagiert sich bereits seit vielen Jahren für das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und betreut gleich mehrere Schulen als Pate. Herr Perel verabschiedete sich damals mit den Worten, vielleicht bereits im Frühjahr 2020 das HHG wieder besuchen zu können (damals hat noch keiner geahnt, dass eine Pandemie dieses Vorhaben ausbremsen könnte).
Eine Titelvergabe sollte in jedem Falle im Beisein von Sally Perel stattfinden. Das stand für die Initiativgruppe von Anfang an fest. Und bis es soweit sein sollte, blieb die Gruppe aus Schüler*innen und Lehrer*innen auch nicht untätig und machte z.B. auf dem schulinternen Weihnachtsmarkt durch einen eignen Info- und Verkaufsstand auf ihr Herzensprojekt aufmerksam. Außerdem bekamen im Frühjahr 2020 einige Oberstufenschüler*innen die Möglichkeit an zwei Zeitzeugengesprächen (u.a. mit Inge Auerbacher und Dr. Yvonne Koch) im Landtag NRW teilzunehmen. Zudem nahmen Schüler*innen der damaligen Jahrgangsstufe 9 ebenfalls an einem Zeitzeugengespräch mit Herbert Robinstein in der Zeche Zollverein teil und besuchten im Anschluss die Ausstellung „Survivors. Faces of Life after the Holocaust“. Es wurde an dem Bottroper Projekttag „Gemeinsam Leben – gemeinsam wachsen“ teilgenommen und zwei Riesenbanner von Heine Schüler*innen gestaltet, die gemeinsam mit vielen anderen in der Bottroper Innenstadt aufgehangen wurden. Selbstverständlich hat auch das Lehrerkollegium sich der Aufgabe, eine „Schule mit Courage“ zu sein, angenommen. So haben sich u.a. zahlreiche Lehrer*innen im Rahmen der Fortbildung „Professionelle Haltung und Strategien im Umgang mit menschenverachtenden Einstellungen“ von Tandem-NRW weitergebildet.
Der vorgesehene Besuch von Sally Perel konnte im Jahr 2020 coronabedingt leider nicht umgesetzt werden. Aber auch viele weitere Projekte und Veranstaltungen, die bereits in Planung waren, mussten auf unbestimmte Zeit oder frühstens auf Sommer 2021 verschoben werden wie z.B.: die dreitägigen Projekttage für den 9. Jahrgang und der damit einhergehende Kooperationsvertrag mit dem „Zweitzeugenprojekt“. Das HHG schließt voraussichtlich im Sommer einen Kooperationsvertag von 3 Jahren, um das Projekt möglichst vielen Schüler*innen anbieten zu können. Zudem ist die Patenschaft und Verlegung eines Stolpersteins in der Bottroper Innenstadt ein Musikprojekt mit der schottischen Band „Single by Sunday“ sowie die Präsentation der Wanderausstellung „Einige waren Nachbarn. Mitläufertum und Widerstand“ in der Schulaula und ein Theaterprojekt mit Burak Yilmaz in Planung. All dies steht für das Jahr 2021 bereits in den „Startlöchern“ und wird pandemiebedingt (noch) verschoben.
Umso glücklicher sind wir darüber, dass unser Schulpate, Sally Perel, uns trotz der Pandemie zumindest digital besucht und sich am 18.01.2021 sowohl für einen Webtalk als auch für ein anschließendes Webinar bereit erklärt hat, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Unsere Schulgemeinschaft bedankt sich insbesondere bei der Friedrich Naumann Stiftung, die uns auch bei diesen beiden Veranstaltungen tatkräftig unterstützt. Die Stiftung begleitet uns schon von Anfang an bei unseren Plänen und steht uns als finanzieller Unterstützer und somit als „Möglichmacher“ seit Tag Eins zur Seite und wir freuen uns auf eine weitere, enge Zusammenarbeit.
Julia Keller und die Initiativgruppe Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage am HHG Bottrop
siehe auch: Bottroper Zeitung https://bottroper-zeitung.de/am-hhg-gibt-es-keinen-platz-fuer-ausgrenzung-und-diskriminierung/[Stand: 15.01.2021]