Kundgebung - Demo mit 5000 Schülern: „Eine beeindruckende Szenerie“
Bottrop. Es ist die größte Demo ihrer Art, die es in Bottrop bislang gab: Rund 5000 Schüler haben für Toleranz und Demokratie demonstriert.
Es sind Bilder, die es auf dem Rathausplatz wohl noch nie gegeben hat. Tausende Schülerinnen und Schüler setzen bei einem Sternmarsch ein Zeichen für Demokratie, Toleranz und friedliches Miteinander. Von ihren Schulen aus strömten sie aus allen Himmelsrichtungen am Dienstagmittag zum Ernst-Wilczok-Platz. Bottrop zeigt erneut Flagge für eine bunte Stadtgesellschaft.
Am 20. Januar hatte zuletzt das Bündnis Buntes Bottrop zu einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Damals erschienen mehr als 2500 Menschen zum Altmarkt. Dieses Mal schätzt die Polizei die Teilnehmerzahl auf 5000. Elf Schulen hatten im Vorfeld die Teilnahme an der Demonstration angekündigt.
Schulen aus Bottrop demonstrieren für ein friedliches Miteinander
Die gemeinsame Kundgebung des Josef-Albers- und des Heinrich-Heine-Gymnasiums sowie der Willy-Brandt- und der Janusz-Korczak-Gesamtschule beginnt ursprünglich um 12 Uhr. Um kurz nach 11.30 Uhr kommen bereits die ersten Schülerinnen und Schüler von der Kirchhellener Straße oder vom Droste-Hülshoff-Platz am Saalbau.
„Nie wieder Rassismus“, skandieren sie. Innerhalb kürzester Zeit füllt sich der Ernst-Wilczok-Platz. Der Rathausbrunnen ist noch immer außer Betrieb und wird in wenigen Minuten geentert. Es bildet sich ein Schülermeer. Auf den Plakaten sind „Hass ist keine Alternative“, „Bottrop ist bunt“ und „Vielfalt ist unsere Stärke“ zu lesen.
„Demokratie, Vielfalt und kulturelle Bildung sind die Stützen unserer Gesellschaft“, sagt Rainer Hürter, Vorsitzender des Schulausschusses, gegenüber der WAZ und inmitten der Menschenmassen. Er finde es gut, dass sich die Schüler für die Demokratie einsetzen.
In Sozialen Netzwerken hat es im Vorfeld Kritik gegeben, dass für die Kundgebung der Unterricht ausfallen würde. Dem entgegnet er: „Das hier ist auch Unterricht, und zwar zum Thema Demokratie.“ Hürter weiter: „Demokratie ist mühsam, aber sie ist das beste, was wir überhaupt haben.“
Mit dieser Haltung ist er an diesem Tag nicht alleine. Markus Reuter, Schulleiter der Willy-Brandt-Gesamtschule, ist der Moderator auf der Bühne. Er blickt hinab auf einen vollen Rathausplatz und sagt übers Mikrofon: „Es ist eine wirklich beeindruckende Szenerie, ein ganz starkes Zeichen.“
NRW-Schulministerin Dorothee Feller: „Es geht um eure Zukunft“
Genauso beeindruckt zeigt sich Oberbürgermeister Bernd Tischler in seiner Rede: „Wenn man sich umschaut, dann sieht man, dass die Mehrheit nicht schweigt, sondern dass ihr aufsteht und euch bemerkbar macht.“ Der Oberbürgermeister appelliert daran, in einer Gesellschaft respektvoll miteinander umzugehen. „Begreifen wir Vielfalt als Chance und als Stärke, und nicht als fremd und bedrohlich.“
Auch NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) erinnert in ihrer Rede daran, was Demokratie im Kern ausmacht. „Wenn genügend Menschen zusammenstehen und eine Einheit bilden, dann hat ihre Stimme Gewicht. Dann kann man gemeinsam etwas bewirken.“ Ihre Botschaft an die Schülerschaft: „Es geht um eure Zukunft. Deswegen ist es richtig, dass ihr euch mit diesem Thema auseinandersetzt und ein deutliches Zeichen setzt.“
Bottroper Schüler sprechen in ihren Redebeiträgen über Rassismus
Rassismus kennt kein Alter. Das wird deutlich in den Redebeiträgen einiger Schüler. „Freiheit und Vielfalt sind für uns eine Selbstverständlichkeit“, meint eine Schülerin des Heinrich-Heine-Gymnasiums. Und malt ein düsteres Szenario. „Aber wie sieht das Leben ohne Freiheit aus?“ Die Antwort: „Keine unterschiedlichen Meinungen, kein kritisches Denken, kein selbstbestimmtes Handeln.“
Ihre Ansage an die Tausenden Schülerinnen und Schüler: „Hass oder Liebe? Rassismus oder Vielfalt? Krieg oder Frieden? Wir haben es in der Hand. Gesellschaft ist das, was wir daraus machen.“
Für eine Schülerin der Willy-Brandt-Gesamtschule gehört Rassismus fast zum Alltag. „Ich werde beleidigt wegen meiner Hautfarbe, meiner Haarfarbe und meiner Herkunft.“ Neulich habe jemand an einer Bushaltestelle zu ihr das „N-Wort“ gesagt. Aber jemand, den sie nicht kannte, habe sie vor der Person verteidigt.
Gesamtschüler wird beleidigt als „Fettsack“ und „Schwuchtel“
Ein anderer Schüler berichtet über seine Anfeindungen aufgrund seiner Homosexualität und seines Körpers. Täglich bekomme er Wörter zu hören wie „Schwuchtel“ und „Fettsack“ oder „noch weitere, schlimme Kommentare“.
„Keiner, egal ob man schwul ist, wie man liebt oder wie man aussieht, sollte so etwas durchmachen“, meint er. Und appelliert: „Genau deswegen ist es wichtig, dass wir hier heute stehen und ein Zeichen setzen. Wir sind für Demokratie und Vielfalt. Wir sind alle gemeinsam Menschen.“
siehe auch WAZ vom 13.03.2024
Autor: Carsten Liebfried